KW
46/2025
Nach dem kurzen politischen Feuerwerk um den Industriestrompreis kehrt an den Energiemärkten wieder Realitätssinn ein – und das gleich doppelt: Erst sorgte Berlin, dann Brüssel für Bewegung, diesmal jedoch nicht durch Alarmismus, sondern durch eine wohltuende Dosis Pragmatismus.
Während der Berliner Vorstoß zum subventionierten Industriestrompreis zu Wochenbeginn noch eine kurze Kursrally auslöste, folgte wenige Tage später aus Brüssel ein politischer Paukenschlag mit leiserem, aber nachhaltigerem Echo. Die EU-Umweltminister einigten sich auf eine Anpassung der Klimaziele bis 2040: Die Treibhausgasemissionen sollen weiterhin um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken – allerdings dürfen künftig bis zu fünf Prozent dieser Reduktion durch internationale Zertifikate außerhalb Europas erfolgen. Gleichzeitig wird der Start des neuen Emissionshandelssystems ETS 2, für Gebäude und Verkehr, auf 2028 verschoben.
Was auf dem Papier nach einer technischen Feinjustierung klingt, markiert in Wahrheit einen Wendepunkt: Europa verabschiedet sich – zumindest vorübergehend – von der Maxime „Klimaziele um jeden Preis“. Stattdessen setzt sich Realpolitik durch, die wirtschaftliche Tragfähigkeit und soziale Balance stärker berücksichtigt. In einer Zeit, in der Energiepreise, Regulierung und Investitionsdruck ohnehin hoch sind, ist das kein Rückschritt, sondern eine überfällige Kurskorrektur. Klimaschutz verliert nicht an Bedeutung, gewinnt aber an Realismus.
Dass diese Neubewertung notwendig war, zeigt ein Blick in die Zahlen: Laut einer aktuellen PwC-Analyse für die KfW müssen Stadtwerke und Regionalversorger in Deutschland bis 2045 rund 535 Milliarden Euro investieren, um klimaneutral zu werden. Die Finanzierungslücke beträgt 346 Milliarden Euro – zwei Drittel der Summe sind also bislang ungedeckt. Das ist kein Rechenfehler, sondern Ausdruck einer strukturellen Überforderung. Ohne neue Finanzierungsinstrumente, staatliche Bürgschaften und privatwirtschaftliche Beteiligungen wird die Wärmewende zur Illusion. Gerade diese Realität dürfte auch in Brüssel mitgedacht worden sein.
Die Märkte quittierten die neue Linie mit Gelassenheit. Der EUA-Preis blieb stabil über 80 Euro je Tonne CO₂, Strom- und Gas-Futures gaben nur leicht nach. Händler sehen in der EU-Entscheidung kein Abweichen vom Dekarbonisierungspfad, sondern ein Zeichen politischer Berechenbarkeit – und damit einen Stabilisierungsfaktor für Investoren. Symbolpolitik verliert an Gewicht, Umsetzbarkeit gewinnt – das ist kein Rückschritt, sondern Reifung.
Ab der Wochenmitte übernahm dann das Wetter die Regie. Milder als erwartet, windreicher als prognostiziert und mit grundsätzlich soliden, aber eben nicht üppig Gasspeichern startet Europa entspannt in den November. Die Füllstände liegen mit rund 82 bis 83 Prozent EU-weit und etwa 75 Prozent in Deutschland deutlich unter dem Vorjahresniveau (Stand Mitte November 2024 für Deutschland: 97 Prozent). Von einer ersten Kälteperiode fehlt bislang jede Spur – ein Umstand, der die Versorgungslage kurzfristig entlastet, aber die Fragilität des Gleichgewichts offenlegt.
Fazit
Nach Monaten der Nervosität scheint der Energiemarkt ein neues Gleichgewicht gefunden zu haben – irgendwo zwischen politischem Pragmatismus und meteorologischer Gelassenheit. Weniger Ideologie, mehr Physik – und das ist vielleicht die stabilste Energiequelle, die Europa derzeit hat.
In diesem Sinne wünsche ich eine Woche, in der Pragmatismus nicht als Schwäche, sondern als neue Form von Weitsicht verstanden werden kann.
Beste Grüße
Patrick Bessero
Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen der Diskussion um einen staatlich subventionierten Industriestrompreis. Angesichts der anhaltenden konjunkturellen Schwäche plant die Bundesregierung ab 2026 eine Entlastung energieintensiver Unternehmen. Die Debatte sorgte zu Wochenbeginn für positive Impulse und stützte die Notierungen am Terminmarkt.
Zu Beginn der vergangenen Woche konnte das Frontjahr am Strommarkt spürbare Zugewinne verzeichnen. Am Dienstag näherte sich der Base-Contract der Marke von 91 €/MWh und bestätigte damit erneut die obere Begrenzung seines Seitwärtskanals. Der Widerstand bei rund 90 €/MWh erwies sich als stabil, sodass der Kontrakt weiterhin innerhalb der Bandbreite zwischen dieser Marke und der Unterstützung bei 80 €/MWh notierte.
| Lieferjahr | EEX-Kurs | Preisänderung* | ||
|---|---|---|---|---|
| Baseload | €/MWh | Vorwoche | Vormonat | Vorjahr |
| 2026 | 88,52 | -0,38% | 0,81% | 4,86% |
| 2027 | 85,45 | -0,04% | -0,01% | 8,85% |
| 2028 | 79,96 | 0,14% | 0,52% | 10,59% |
| *Stichtagsbetrachtung Strom/DE/Base 10.11.2025 | ||||
Die Spotpreise zogen in der Woche vom 3. bis 9. November deutlich an: Der Durchschnittspreis stieg auf 95,39 €/MWh und lag damit gut 21 € über der Notierung der Vorwoche. Vor allem am Donnerstag und Freitag trieben kühlere Temperaturen und geringere Windleistung die Preise über 110 €/MWh. Im Jahresvergleich liegt der Durchschnitt 2025 mit 87,36 €/MWh rund 8 € über dem Vorjahreswert.
Unsere Einschätzung
Eine nachhaltige Ausbruchsbewegung ist bislang nicht erkennbar, was auf eine fortgesetzte Marktkonsolidierung hindeutet. Erst Notierungen oberhalb von 90 €/MWh beziehungsweise unterhalb von 80 €/MWh würden neue Impulse setzen und den Weg für weitere Kurssteigerungen oder fallende Notierungen freimachen.
Am Gasmarkt prallen derzeit gegensätzliche Narrative aufeinander. Während schwache Nachfrage und zusätzliche Liefermengen preisdämpfend wirken, sorgen geopolitische Risiken und neue Sanktionspakete gegen Russland und Iran für anhaltende Unsicherheit. Dank hoher LNG-Importe und gut gefüllter EU-Speicher von rund 82 % bleibt der Markt jedoch weitgehend im Gleichgewicht. Erst größere Lieferausfälle oder längere Kälteperioden könnten die Lage spürbar verändern.
Die Terminpreise für Erdgas zeigten sich in der vergangenen Woche leicht rückläufig. Nach einem Wochenstart bei rund 32,1 €/MWh gaben die Notierungen bis Freitag kontinuierlich auf 31,8 €/MWh nach und setzten damit ihre seit Wochen anhaltende Seitwärtsbewegung am unteren Rand der Handelsspanne fort. Die Marktteilnehmer reagierten vor allem auf milde Temperaturen und hohe LNG-Verfügbarkeit.
| Lieferjahr | EEX-Kurs | Preisänderung* | ||
|---|---|---|---|---|
| Baseload | €/MWh | Vorwoche | Vormonat | Vorjahr |
| 2026 | 31,78 | -1,06% | -2,63% | -10,24% |
| 2027 | 30,05 | -1,18% | -2,29% | -1,02% |
| 2028 | 27,43 | -0,57% | -2,82% | 2,82% |
| *Stichtagsbetrachtung Gas/THE 10.11.2025 | ||||
Die Gaspreise zeigten sich in der vergangenen Woche weitgehend stabil. Der Durchschnittspreis lag mit 32,94 €/MWh nur 0,6 € über dem Vorwochenwert, womit sich der Markt in einer engen Preisspanne bewegte. Größere Ausschläge blieben aus, auch wenn die Füllstände der europäischen Speicher im Vergleich zum Vorjahr spürbar niedriger ausfallen und zunehmend in den Fokus rücken.
Unsere Einschätzung
Solange keine deutlichen Kälteeinbrüche oder Lieferstörungen auftreten, dürfte der Gas-Terminmarkt in den kommenden Tagen weiter seitwärts tendieren. Erst ein Anstieg über 33 €/MWh oder ein Rutsch unter 31 €/MWh würde neue Impulse liefern.

Hinweis: Der Energiemarktbericht dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Beratung noch ein Angebot zum Kauf von Energie dar. Wir empfehlen eine individuelle, auf Ihr Verbrauchsverhalten bezogene Beratung durch Ihren Ansprechpartner.